Zuerst die Geschichte, wie sie nach 'Old-Stump' kam...


Der alte Goldsucher wirkte wie ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert. Er war zwar erst fünfundsechzig, aber das harte Leben im unerschlossenen Westen hatte ihm immer und immer wieder in den Arsch getreten. Sein weißgrauer Bart war struppig und ungepflegt, sein Gesicht von der unbarmherzigen Sonne des Westens schrundig und gerötet, was allerdings auch daran lag, dass er sein Leben lang hemmungslos gesoffen hatte. Er reiste stets mit zwei Gefährten, die genauso alt aussahen wie er. Der eine war ein Pferd, ein grauer Klepper, der gemächlich eine Karre mit Habseligkeiten zog und dabei die Landschaft zu bewundern schien, als befände er sich auf einer Spazierfahrt mit einer Freundin. Der andere war ein räudiger Köter unbestimmter Abstammung, der hechelnd neben dem Alten saß und im Rythmus der holprigen Fahrt sacht hin und her schaukelte. Sein struppiges braune Fell war matt und verdreckt, und an einigen Stellen schimmerte die nackte Haut durch, weil er in der Wüste oft und gern mit anderen Tieren kämpfte.

Das einzige Bemerkenswerte an diesem bedauernswerten Trio war etwas, das der Goldsucher in der Hand hielt. Es war nicht größer als ein Golfball, aber es beherrschte die Szene und reflektierte die Wüstensonne, dass es nur so blitzte. Es war ein echter, massiver Klumpen Gold, der erste, den der Goldsucher in fünfzig Jahren Plackerei gefunden hatte. Er wandte den Kopf und grinste den Hund schief an.

"Weißt du, was ich dir von dem Gold kaufe, Plugger, wenn wir die Stadt erreichen? Einen großen Haufen frischer Steaks". Vor Freude hechelte Plugger schnell, als der Alte ihn am Ohr kratzte. "Und einen Sack Markknochen. Was sagst du dazu?" Plugger leckte die altersfleckige Hand seines Herrchens, der laut und heiser auflachte. Plugger antwortete mit Gebell. Der Alte tätschelte ihm den Rücken. "Okay, das reicht", sagte er gutmütig. Doch Plugger bellte vor lauter Begeisterung weiter. Plötzlich wurde er sogar noch lebhafter. "Hey, hey, ganz ruhig, alter Junge! Was ist denn los?" Wie eine Antwort auf seine Frage nahte Hufgetrappel. Der Goldsucher blinzelte gegen die Sonne an, um zu erkennen, wer oder was da kam. Die Straße vor ihm war völlig leer, doch die Staubwolke hinter dem nächsten Hügel verriet, dass Reiter nahten, offenbar fünf oder mehr. Die Hände des Goldsuchers zitterten vor Nervosität und aus Altersgründen, und er stopfte sein glänzendes Nugget schnell in die Tasche. Als er den Blick wieder auf die Straße richtete, kamen sechs Reiter über den Hügel. Der graue Klepper tänzelte nervös, und Plugger bellte lauter denn je. Die Reiter kamen näher, wurden langsamer und blieben schließlich stehen. Jetzt sah der Alte, dass es nicht sechs Männer waren, sondern fünf und eine Frau.

Ein verwegenes Grüppchen, das fordernd und alles andere als freundlich dreinblickte. Der Anführer war der furchterregendste Kerl, den der

Goldsucher je gesehen hatte. Die Falten in seinem Gesicht verrieten, dass er sein Leben lang schlecht gelaunt gewesen und keiner Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen war. Seine wettergegerbte Haut tat nichts, um diesen Eindruck abzumildern.

Und erst seine Augen! Schon aus einiger Entfernung wirkten diese Augen wie eine Todesdrohung. Sie waren der Spiegel einer zutiefst verderbten Seele, die keine Gnade und kein Mitgefühl kannte. Es waren Reptilaugen, und keine noch so verschlagene Kreatur in den Tiefen der Wüste konnte kaltblütiger dreinblicken. Diesen Mann sollte man fürchten, so viel war kla.r Die Frau hingegen war ein Rätsel.
Der Goldsucher brachte seinen Wagen zum Stehen und blinzelte in ihre Richtung. Sie war schön. Vielleicht Mitte dreißig, dachte der Alte. Sie schien eine nette Person zu sein, obwohl sie wie versteinert dasaß. Ihr weiches braunes Haar und ihre eleganten Kurven passten nicht in diese Gegend und auch nicht zu der Gesellschaft, in der sie sich befand. Sie konnte unmöglich zu den Reitern gehören und doch schien das der Fall zu sein.

Pluggers Gebell riss den Alten aus seinen Gedanken. "Ruhig, mein Junge", sagte er freundlich, aber bestimmt.
Dann sah er wieder die Reiter an, hob grüßend den Hut und sagte: »Howdy." Es klang entspannter, als ihm zu mute war. Plugger begann zu knurren. "Ruhig Plugger, ganz ruhig!" Dann fragte der Goldsucher die Reiter: "Kann ich was für euch tun?"

Mit trügerischer Ruhe und Höflichkeit erwiderte der Anführer: "Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns den Weg nach Sherman Creek zeigen könnten."

Der Goldsucher atmete auf. Vielleicht hatte er überreagiert. Diese Männer waren nur auf der Durchreise. Ehrliche Cowboys auf dem Weg nach Sherman Creek. Wahrscheinlich auf Arbeitssuche. Löblich. Anständige Arbeit war schwer zu finden, und wenn diese Männer bereit waren, dafür weite Wege in Kauf zu nehmen, sollte es nicht an ihm scheitern. Er würde ihnen den Weg zeigen. ".Aber gewiss doch", sagte er. Er griff hinter sich in den Karren und holte eine zerfledderte Karte heraus. Dann ignorierte er den knirschenden Protest seiner alten Knochen und hievte sich vom Kutschbock, um zu dem Anführer zu gehen. Mit einem gichtig gekrümmten Finger zeigte er auf eine schwarze Linie, die sich mitten durch die Karte schlängelte.
"Jetzt befindet ihr euch auf der Hauptstraße, hier. Sie führt durch Bullhead und stößt dann direkt auf die Straße nach Sherman Creek. Aber wenn ihr mich fragt, würde ich sagen, dass ihr schneller seid, wenn ihr über den Bilbee Pass reitet. Ist auch sicherer. Keine Banditen und so."
"Banditen?", fragte der Reiter. "Gibt es denn hier in der Gegend Banditen?"

"Nun, mir sind nur selten welche begegnet, aber wissen kann man ja nie. Jedenfalls ist der Weg über den Bilbee Pass der beste. Und der schnellste."

Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Reiters, als er auf den Alten herabblickte.Aber ohne jede Wärme. Der Alte hatte nicht mal den Eindruck, dass es ein Lächeln war, sondern eher eine Wunde, die ein unsichtbarer Schwertkämpfer ins Gesicht des Reiters geritzt hatte. Das Einzige, was fehlte, war Blut.

"Danke", sagte der Reiter. Sein scharfer Reptilienblick traf auf den milchig-müden des Goldsuchers. Der Alte hielt diesem Blick einen Moment lang stand, dann ging er zu seinem Karren zurück. "Keine Ursache", sagte er. "Einem freundlichen Fremden hilft man doch gern." Der Goldsucher machte sich bereit, wieder auf den

Kutschbock zu klettern, als der Reiter noch etwas sagte. "Eins können Sie noch für uns tun."

Der Alte erstarrte. Der Reiter hatte einen ganz einfachen Satz gesagt, immer noch ruhig und höflich, ohne jegliche Drohgebärde. Und dennoch fürchtete der Alte plötzlich um sein Leben. Er versuchte sich die Angst nicht anmerken zu lassen und fragte: "Was denn?"

"Geben Sie uns Ihr Gold". Der Reiter ließ die Maske der Harmlosigkeit fallen, und das nackte Reptil stand jetzt da, bereit zu...ja, was?

Um nicht den Kopf zu verlieren, versuchte es der Alte mit Geschwätzigkeit. "Gold? Ich habe kein Gold. Ich

wünschte, ich hätte welches. Habe lange genug danach gesucht, aber der Fluss ist da ist richts
mehr zu finden. Hab's aufgegeben und bin auf Rückweg in die Stadt."

"Das ist es ja gerade" sagte der Reiter. "Mitten am Tag reiten Sie in die Stadt. Das tut ein Goldsucher nur wenn er Gold verkaufen will. Also her damit!"

"Ich schwöre, ich habe kein Gold! Ich fahre so früh in die Stadt zurück, weil ich..."

Der Reiter zog die Waffe und richtete sie auf den Kopf des Alten.

Der Goldsucher gab sich keine Mühe mehr, sein Entsetzen zu verbergen. In seiner Körpermitte breitete sich etwas Warmes, Feuchtes aus. Er steckte die Hand in die Tasche, um sein Nugget herauszuholen. »Da fällt mir ein Vielleicht habe ich zufällig doch ein Goldstück dabei.

Der Reiter drückte ab.

Der alte Goldsucher taumelte zurück, dann sackte er zusammen und ging tot zu Boden. Plugger bellte wie verrückt, beugte sich über sein Herrchen und schnüffelte verwirrt an ihm herum.

Zum ersten Mal erhob die Frau ihre Stimme und drehte sich wütend zu dem Anführer um. "Verdammt, Clinch, das war doch nicht nötig!"

Clinch grinste sie mit seinen bleistiftschmalen Lippenan. "Ich weiß, Schätzchen."

"Er hätte dir das Gold auch so gegeben."

"Aber er hat sich zweimal bitten lassen. Für solche Spielchen habe ich keine zeit. Ich bin ein vielbeschäftigter Mann."
Hasserfüllt kniff die Frau die Augen zusammen. "Ein Hurensohn bist du."

Das Grinsen des Anführers erstarb, und im selben Moment schlug sein Arm wie eine Peitsche aus und traf die Frau mit voller Wucht im Gesicht. Sie rutschte vom Pferd und stürzte ungebremst zu Boden. Aber selbst jetzt noch, sich ein blutiges Rinnsal von der Unterlippe wischend, sah sie unversehrt und sehr, sehr schön aus. "So redest du nie wieder mit mir", sagte Clinch mit tödlichem Ernst. "Eine Frau schuldet ihrem Mann Re-

spekt. Versuch s noch mal!"

Die Frau kam wieder auf die Füße und sah ihn spöttisch unter halb geschlossenen Lidern an. "Oh Liebling, du bist der Beste! Ich bin so glücklich, deine Frau sein zu dürfen. Gott, wie ich dich liebe! Ich bin die glücklichste aller Frauen. Bevor Clinch ein zweites Mal zuschlagen konnte, trat einer der anderen Banditen mit der Karte des toten Goldsuchers dazwischen. "Der Alte hatte recht, Clinch. Wenn wir durch Bullhead reiten, verlieren wir einen halben Tag."

Clinch warf einen Blick auf die Karte, faltete sie zusammen und sah die anderen an. "Okay. Enoch, Jordy und Ben, ihr reitet mit mir. Wir nehmen den Bilbee Pass nach Sherman Creek. Denkt dran, dass die Hölle los ist, wenn wir erst mal die Kutsche überfallen haben. Jeder verdammte Gesetzeshüter dieser verdammten Gegend wird hinter uns her sein." Dann wandte er sich seiner Frau zu, die wieder aufs Pferd gestiegen war. "Du hältst dich aus der Sache raus." Er zeigte auf den pockennarbigen Reiter neben sich, dessen Gesicht an eine Mischung aus Wiesel und Ratte erinnerte. "Lewis, du reitest mit Anna nach Osten, dann taucht ihr im nächsten Kaff unter."
heißt Mit Blick auf die Karte fügte er hinzu: "Old Stump heißt das Loch. Wir warten ab, bis Gras über die Sache gewachsen ist. In zwölf Tagen oder so kommen wir euch holen." Anna schenkte Clinch ein kaltes Lächeln. "Danke, Liebling. Immer denkst du zuerst an meine Sicherheit."
Clinch revanchierte sich mit einem noch eisigeren Lächeln, gab seinem Pferd die Sporen und war weg. Sekunden später waren auch die anderen verschwunden. Zurück blieben nur Anna und der hässliche Lewis, ein räudiger Hund und der Leichnam des Alten, der nichts getan hatte, womit er dieses Schicksal verdient hätte. Lewis sah auf die Karte und wandte sein Pferd gen Osten. "Komm, Anna!" Auch sie wandte ihr Pferd und wollte schon losreiten, da blieb sie plötzlich stehen und sah den Hund an. "Plugger! Plugger! Komm her, alter Junge!" Der Hund sah unsicher zu ihr auf. "Komm schon, Plugger! Komm mit!" Dank des Kurzzeitgedächtnisses, das Hunden zu eigen ist, setzte Plugger sich in Bewegung und vergaß den Leichnam des Alten. Lewis verdrehte die Augen und murmelte: "Herr im Himmel!"

Dann ritten sie Richtung Old Stump.